Eine rasante Karriere

Saint-Saëns war das, was man heute ein “Wunderkind” nennt: Mit nur drei Jahren und fünf Monaten schrieb er sein erstes Klavierstück, mit 13 Jahren begann er sein Orgel- und Kompositionsstudium am Conservatoire Nationale de Musique in Paris. Von da an nahm seine Karriere einen rasanten Verlauf: Nur vier Jahre später, mit 17 Jahren, bekam er seine erste Organistenstelle in Saint-Séverin, 1854 erfolgte der Wechsel an die Église Saint-Merri. Mit 23 Jahren wechselte Saint-Saëns dann an die Église Sainte-Marie-Madeleine und bekam damit die bedeutendste Organistenstelle in Paris.

Camille Saint-Saëns um 1858. (Foto: Public Domain)

Das Oratorio de Noël – wissenschaftlich editiert

Das Oratorio de Noël war sein Einstandsstück – das aufgrund des Zeitdrucks in der ersten Fassung nur sechs Sätze umfasste. Neben dieser Erstfassung entstanden im Laufe der Jahre viele weitere Versionen: Abschriften, Klavierauszüge, weitere Drucke und mehr. Das heute zehnsätzige Werk lag bisher nicht in einer praktisch-kritischen Ausgabe vor. Diese wurde von Christina M. Stahl für den Bärenreiter-Verlag erstellt. Die Suche nach allen möglichen Quellen war dabei nicht leicht: Manchmal sind Klavierauszüge, Partituren oder Briefe mit Hinweisen nicht einfach so zugänglich – es gleicht einer Schatzsuche.



Das Projekt

Im Rahmen einer Chorwerkstatt wurde die neu editierte Fassung unter der Leitung von Christina M. Stahl von (ehemaligen) Studierenden des Instituts für Musik der TU Dortmund erarbeitet und einstudiert. Neben dem Kennenlernen der Methoden einer musikwissenschaftlichen Edition wurde auch auf die historisch informierte Aufführungspraxis eingegangen. So war es zu Saint-Saëns’ Zeiten üblich, die lateinischen Texte in der jeweiligen Landessprache auszusprechen. Dies führt zu einer erheblichen Änderung des Textflusses und der Klangfarbe, auch des Rhythmus. Die französische Aussprache des Kirchenlateins – auch “Gallikanisch” genannt – wurde von Saint-Saëns als bewusster Klangparameter in die Musik komponiert. Durch die aktive Einstudierung des Werkes wurden Theorie und Praxis miteinander verwoben – eine einzigartige und besondere Erfahrung für alle Teilnehmenden. Am Ende der Chorwerkstatt stand die (Ur-)Aufführung der neu-editierten Fassung. Christina M. Stahl leitete dafür ein Ensemble und einen Chor aus (ehemaligen) Musik-Studierenden der TU Dortmund in der St. Reinoldikirche in Dortmund.

 

Video: Christina M. Stahl und Studierende des Instituts für Musik über das Chorwerkstatt-Projekt. (Kamera & Schnitt: Kristin Häring und Bennet Seiger)